Die Wiener Küche – Kaiserliches Erbe im Schmelztiegel der Kulturen
Die Hauptstadt Wien ist nicht nur das kulturelle, sondern auch das kulinarische Zentrum Österreichs. Die berühmte Wiener Küche verdankt ihre Vielfalt dem multikulturellen Erbe der Habsburgermonarchie und vereint Einflüsse aus Böhmen, Ungarn, Italien und dem Balkan zu einer einzigartigen kulinarischen Tradition.
Das bekannteste Gericht ist zweifellos das Wiener Schnitzel – ein hauchdünnes, paniertes Kalbsschnitzel, das goldbraun in Butterschmalz herausgebacken wird. Ein echtes Wiener Schnitzel erkennt man daran, dass die Panade Blasen wirft und das Fleisch nicht berührt. Dazu werden traditionell Petersilienkartoffeln und ein Zitronenschnitz serviert.
Nicht weniger berühmt ist der Tafelspitz – gekochtes Rindfleisch aus der Schwanzrolle, das mit verschiedenen Beilagen wie Apfelkren (Meerrettich mit Apfel), Schnittlauchsauce und Rösterdäpfeln (gebratene Kartoffeln) serviert wird. Kaiser Franz Joseph I. soll dieses Gericht besonders geschätzt haben.
Insider-Tipp:
Für ein authentisches Wiener Schnitzel besuchen Sie das traditionsreiche Restaurant "Figlmüller" in der Innenstadt, das seit 1905 für seine handtellergroßen Schnitzel berühmt ist. Möchten Sie hingegen erstklassigen Tafelspitz genießen, ist das "Plachutta" am Wienfluss eine ausgezeichnete Wahl.
Die Wiener Kaffeehauskultur – mehr als nur Kaffeetrinken
Ein besonderes Kapitel der Wiener Esskultur ist die Kaffeehauskultur, die 2011 von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe erklärt wurde. In den traditionellen Kaffeehäusern der Stadt wie dem Café Central, dem Café Landtmann oder dem Café Sacher wird der Kaffee nach wie vor auf dem silbernen Tablett mit einem Glas Wasser serviert.
Die Vielfalt der Kaffeespezialitäten ist beeindruckend: Vom kleinen Schwarzen (Mokka) über den Melange (ähnlich einem Cappuccino) bis hin zum Einspänner (Mokka mit Schlagobers/Sahne im Glas) gibt es unzählige Variationen zu entdecken. Dazu werden typischerweise süße Köstlichkeiten wie die weltberühmte Sachertorte, Apfelstrudel oder Kaiserschmarrn gereicht.
"Das Wiener Kaffeehaus ist eine Einrichtung besonderer Art, die mit keiner ähnlichen der Welt zu vergleichen ist. Es ist eine Art demokratischer Klub, wo jeder Gast für den Eintrittspreis einer billigen Tasse Kaffee stundenlang sitzen, diskutieren, schreiben, Karten spielen, Post empfangen und vor allem eine unbegrenzte Zahl von Zeitungen und Zeitschriften konsumieren kann." – Stefan Zweig, österreichischer Schriftsteller
Salzburg – Alpine Tradition mit mediterranem Einfluss
Die Salzburger Küche verbindet alpine Einflüsse mit einer Prise mediterraner Leichtigkeit, was auf die geografische Nähe zu Italien zurückzuführen ist. Besonders bekannt sind die Salzburger Nockerl – eine süße Soufflé-Spezialität, deren drei Hügel angeblich die Salzburger Stadtberge Mönchsberg, Kapuzinerberg und Gaisberg symbolisieren sollen.
Ein weiteres typisches Gericht ist das Salzburger Bierfleisch – ein Schmorgericht aus Rindfleisch, das in dunklem Bier geschmort und mit Semmelknödeln serviert wird. Nicht zu vergessen sind die berühmten Mozartkugeln, die 1890 vom Salzburger Konditor Paul Fürst kreiert wurden und bis heute nach dem Originalrezept aus Marzipan, Nougat und dunkler Schokolade handgefertigt werden.
Tirol – Deftige Kost für Bergsteiger
Die Tiroler Küche ist bekannt für ihre deftigen, energiereichen Gerichte, die traditionell nach anstrengenden Bergtouren oder harter körperlicher Arbeit serviert wurden. Das bekannteste Gericht ist wohl das Tiroler Gröstl – ein Pfannengericht aus gebratenen Kartoffeln, Zwiebeln und Fleischresten, das typischerweise mit einem Spiegelei und Krautsalat serviert wird.
Auch die Kaspressknödel, würzige Knödel aus altem Brot und Käse, die in der Suppe oder als Beilage serviert werden, sind ein fester Bestandteil der Tiroler Küche. Ein Besuch in einer der urigen Almhütten, wo diese Spezialitäten oft nach alten Familienrezepten zubereitet werden, ist ein kulinarisches Erlebnis, das man sich nicht entgehen lassen sollte.
Kärnten – Einflüsse aus dem Süden
Die Kärntner Küche ist stark von der Nähe zu Italien und Slowenien geprägt. Die bekannteste Spezialität sind die Kärntner Kasnudeln – mit Topfen (Quark) und Minze gefüllte Teigtaschen, die am Rand kunstvoll "gezwickt" werden und mit zerlassener Butter und Grat'n (geröstete Brotkrumen) serviert werden.
Die Lesachtaler Brettljause, eine Platte mit regionalen Wurst- und Käsespezialitäten, selbstgebackenem Brot und eingelegtem Gemüse, ist ein weiteres Highlight der Kärntner Küche. Dazu wird typischerweise Most (vergorener Apfel- oder Birnensaft) oder eines der ausgezeichneten regionalen Biere serviert.
Steiermark – Das grüne Herz Österreichs
Die Steiermark, auch als "grünes Herz Österreichs" bekannt, ist berühmt für ihre hochwertigen landwirtschaftlichen Produkte. Das steirische Kürbiskernöl, ein dunkelgrünes Öl mit nussigem Geschmack, ist ein geschütztes Qualitätsprodukt der Region und verleiht vielen Gerichten eine besondere Note.
Typische Gerichte der steirischen Küche sind der Backhendlsalat – knusprig gebackenes Huhn auf einem Salat mit Kürbiskernöl-Dressing – und das Steirische Wurzelfleisch, ein gekochtes Schweinefleisch mit Kren und Apfel-Meerrettich-Sauce. Nicht zu vergessen ist der Käferbohnensalat, ein Salat aus großen, violett-rot gestreiften Bohnen, der ebenfalls mit Kürbiskernöl verfeinert wird.
Vorarlberg – Kulinarische Einflüsse aus der Schweiz und Schwaben
Die Vorarlberger Küche ist stark von den benachbarten Regionen Schweiz, Liechtenstein und dem schwäbischen Teil Deutschlands beeinflusst. Besonders bekannt sind die Kässpätzle – handgeschabte Eiernudeln, die mit würzigem Bergkäse geschichtet und mit Röstzwiebeln serviert werden.
Eine weitere Spezialität ist der Vorarlberger Riebel, ein Maisgericht, das ursprünglich ein einfaches Bauerngericht war und heute als Beilage oder süß mit Apfelmus serviert wird. Die ausgezeichneten Käsesorten der Region, insbesondere der würzige Bergkäse aus dem Bregenzerwald, sind ein Muss für jeden Käseliebhaber.
Burgenland – Pannonische Einflüsse
Die Küche des Burgenlandes ist stark von den ungarischen Nachbarn beeinflusst. Paprika-gewürzte Gerichte wie das Burgenländische Paprikahendl oder Fischsuppe nach pannonischer Art sind hier verbreitet. Besonders bekannt ist auch der Burgenländische Krapfen mit Marillenmarmelade (Aprikosenkonfitüre).
Das Burgenland ist zudem das wichtigste Weinbaugebiet Österreichs, insbesondere für Rotweine wie Blaufränkisch und Zweigelt. Die Region um den Neusiedler See ist bekannt für ihre außergewöhnlichen Süßweine, insbesondere die Trockenbeerenauslesen, die zu den besten Dessertweinen der Welt zählen.
Niederösterreich – Vielfalt zwischen Bergen und Ebenen
Niederösterreich, das größte Bundesland Österreichs, bietet eine große kulinarische Vielfalt. In den Weinbaugebieten der Wachau, des Kamptal und des Weinviertels wird neben hervorragenden Weinen wie dem Grünen Veltliner auch eine exzellente Küche gepflegt.
Bekannte Spezialitäten sind die Waldviertler Mohnnudeln – mit Mohn, Zucker und zerlassener Butter verfeinerte Kartoffelnudeln – und der Mostviertler Birnmost, ein traditionelles Getränk aus vergorenen Birnen. In den Heurigen, traditionellen Weinschänken, wird guter Wein mit kalten Platten und hausgemachten Spezialitäten serviert.
Oberösterreich – Herzhafte Tradition
Die oberösterreichische Küche ist bekannt für ihre bodenständigen, herzhaften Gerichte. Eine Spezialität ist das Linzer Bier, das bereits seit dem 14. Jahrhundert gebraut wird. Kulinarisch berühmt ist Oberösterreich vor allem für die Linzer Torte, die als älteste Torte der Welt gilt und deren Rezept bis ins Jahr 1653 zurückverfolgt werden kann.
Weitere typische Gerichte sind der Kalbsbraten nach Mühlviertler Art und die Donauschiffe, herzhafte Schweinsrippchen mit Sauerkraut. In den traditionellen Gasthäusern entlang der Donau werden zudem ausgezeichnete Fischspezialitäten wie Forelle und Saibling serviert.
Die österreichische Mehlspeisenkultur – süße Versuchungen
Keine Beschreibung der österreichischen Küche wäre vollständig ohne die Erwähnung der berühmten Mehlspeisen, wie Süßspeisen in Österreich genannt werden. Neben den bereits erwähnten Klassikern wie Sachertorte, Linzer Torte und Salzburger Nockerln gibt es unzählige weitere süße Versuchungen zu entdecken.
Der Kaiserschmarrn, ein gerissener Pfannkuchen mit Rosinen, der mit Puderzucker bestäubt und mit Zwetschkenröster (Pflaumenmus) serviert wird, hat seinen Namen von Kaiser Franz Joseph I., der diese Süßspeise besonders schätzte. Der Apfelstrudel, ein hauchdünner Teig gefüllt mit Äpfeln, Zimt und Rosinen, ist wahrscheinlich die bekannteste österreichische Mehlspeise weltweit.
Weniger bekannt, aber mindestens genauso köstlich sind der Powidltascherl, eine mit Pflaumenmus gefüllte Teigtasche, und der Kärntner Reindling, ein Hefekuchen mit Zimt, Zucker und Rosinen. In den traditionellen Konditoreien des Landes werden diese Spezialitäten oft nach alten Familienrezepten zubereitet.
Die österreichische Weinkultur – Qualität statt Quantität
Österreich mag im internationalen Vergleich ein kleines Weinbauland sein, produziert aber Weine von Weltklasse. Nach dem Weinskandal von 1985 setzte das Land konsequent auf Qualität statt Quantität und ist heute bekannt für seine exzellenten Weißweine, insbesondere den Grünen Veltliner, aber auch für hervorragende Rotweine wie Blaufränkisch und Zweigelt.
Die wichtigsten Weinbaugebiete sind die Wachau, das Kamptal und das Kremstal in Niederösterreich, das Burgenland sowie die Steiermark. In den Heurigen und Buschenschänken können Besucher die Weine direkt vom Erzeuger probieren, oft begleitet von regionalen Spezialitäten.
Wo kann man authentische österreichische Küche erleben?
Um die Vielfalt der österreichischen Küche authentisch zu erleben, empfehlen wir, über den touristischen Tellerrand hinauszublicken und folgende Orte zu besuchen:
- Traditionelle Wirtshäuser: In den urigen Gasthäusern und Wirtshäusern des Landes werden traditionelle Gerichte oft nach Familienrezepten zubereitet. Besonders in ländlichen Regionen finden sich noch viele authentische Betriebe.
- Heurige und Buschenschänken: Diese traditionellen Weinschänken bieten neben regionalen Weinen auch einfache, aber hochwertige Speisen an – oft aus eigener Produktion.
- Wochenmärkte: Auf den Wochenmärkten in den größeren Städten wie dem Naschmarkt in Wien oder dem Grünen Markt in Salzburg können Besucher regionale Spezialitäten direkt von den Erzeugern kaufen und probieren.
- Almhütten: Bei einer Wanderung in den österreichischen Alpen sollte ein Einkehrschwung in einer der zahlreichen Almhütten nicht fehlen. Hier werden oft einfache, aber kräftige Gerichte serviert, die nach dem Wandern besonders gut schmecken.
Kulinarische Veranstaltungen in Österreich
Wer sein Österreich-Erlebnis mit kulinarischen Highlights bereichern möchte, sollte einen Blick auf den Veranstaltungskalender werfen. Über das Jahr verteilt finden zahlreiche Food-Festivals und kulinarische Events statt:
- Genussfestival im Wiener Stadtpark (Mai): Präsentation der besten kulinarischen Produkte aus allen österreichischen Bundesländern.
- Lange Tafel in Graz (August): Ein Großevent, bei dem eine lange Tafel durch die Altstadt von Graz gedeckt wird und regionale Spezialitäten serviert werden.
- Wiener Wiesn-Fest (September/Oktober): Österreichs Antwort auf das Oktoberfest mit vielen traditionellen Spezialitäten.
- Martiniloben im Burgenland (November): Traditionelle Verkostung des neuen Weins rund um den Martinstag mit typischen burgenländischen Gerichten.
Fazit
Die österreichische Küche ist viel mehr als nur Wiener Schnitzel und Apfelstrudel. Sie ist ein faszinierender Spiegel der Geschichte und Kulturlandschaft des Landes, geprägt von verschiedenen regionalen Einflüssen und Traditionen. Von den deftigen Gerichten der Alpenregionen bis zu den pannonisch beeinflussten Spezialitäten des Burgenlandes, von der eleganten Wiener Küche bis zu den mediterranen Einflüssen Kärntens – die kulinarische Vielfalt Österreichs ist beeindruckend.
Eine kulinarische Reise durch Österreich ist nicht nur ein Genuss für den Gaumen, sondern auch eine Entdeckungsreise durch die Kultur und Geschichte des Landes. Also, nehmen Sie sich Zeit, abseits der Touristenpfade die authentischen Geschmäcker Österreichs zu entdecken – es lohnt sich!